Flüchtlingskrise 2015 Lösungen
Dr. Ulrich Ulonska: Gute Kanzlerschaft kann man definieren. Zur Debatte um Angela Merkel und die Flüchtlingskrise im Herbst 2015. Der Herbst 2015 bringt die Bundeskanzlerin in die Schlagzeilen - die “Flüchtlingskrise”. Sie sagte: ”Es sind alle willkommen!”
Das ist eine schwierige Situation, denn die Einschätzung der Kompetenz einer Person unterliegt sehr individuellen Kriterien und Menschen erleben das sehr unterschiedlich, was für den einen in Ordnung ist, ist für die andere schon mehr als unzumutbar.
Wie kann man denn nun die Kompetenz und ein sachgerechtes Vorgehen prüfen?
Da hilft die Rhetorik weiter. Der große griechische Rhetoriker Aristoteles hat Glaubwürdigkeit bzw. Kompetenz wie folgt definiert (Aristoteles spricht nur von Männern, ich beziehe Frauen natürlich mit ein):
“Es gibt nun drei Ursachen dafür, dass der Redner selbst glaubwürdig ist; denn so viele Gründe gibt es - abgesehen von den Beweisen weswegen wir Glauben schenken. Es sind dies Einsicht, Tugend und Wohlwollen (...)”. (1) Gehen wir es systematisch an:
1.) Einsicht. ”Mit der Klugheit wird der Redner nach seiner Sachkenntnis beurteilt.” (2) “Muss ja doch der Klügste und Beste sein und scheinen, wer wünscht, alle möchten in Fragen des Nützlichen und des Anständigen seiner Auffassung Vertrauen schenken.” (3) “Denn seine Einsicht in wesentlichen Fragen darzulegen, ist die Sache eines klugen, ehrenhaften und wortgewandten Mannes, damit die Gabe zur Voraussicht durch den Geist gegeben ist.” (4)
Ein erstes Kriterium, die Einsicht. Wie klug geht die betreffende Person mit Entscheidungen um? Hat Merkel klug gehandelt?
2.) Tugend. Tugend klingt veraltet, heute sagen wir Werte und Normen. In der Philosophie und bei den antiken Rhetorikern gibt es eine klare Rangfolge der Tugenden
a) Gerechtigkeit b) Tapferkeit c) Mäßigkeit d) Weisheit. (Hier nicht weiter ausgeführt)
Das sind die Kardinaltugenden.
Gerade bei den Tugenden gilt das “rechte Maß der Mitte”. Der ideale Wert liegt idealer weise situationsangemessen zwischen zwei extremen Unwerten.:
Tapferkeit z. B. liegt in der Mitte zwischen Feigheit und Tollkühnheit, nämlich als kluge Vorsicht.
Mäßigkeit liegt in der Mitte zwischen Geiz und Verschwendung.
Die Hierarchie der Werte ändert sich immer wieder einmal. (5) Manche Forscher sehen hier auch zyklische Muster, (6) die sehr zutreffend erscheinen.
Zurück zu Merkel. * War es gerecht, was sie tat? * Steht sie mutig zu dem, was sie tat? * Hat sie sich mäßig beschieden?
Auch diese Fragen mag ein jeder für sich beantworten.
3.) Wohlwollen
”Wir fühlen, dass man Zuneigung gewinnt, wenn man den Eindruck macht, das, was im Interesse des Publikums selbst liegt, gerechterweise zu vertreten, oder sich für verdiente Männer, bzw. solche, die für das Publikum wertvoll oder nützlich sind, zu engagieren.
Mit dem letzteren gewinnt man nämlich mehr Zuneigung, (...) mit dem Einsatz für die Tugend mehr Respekt” (7) Auch hier kann jeder für sich prüfen, in wie weit Angela Merkel wohlwollend den Bürgern Deutschlands gegenüber gehandelt hat
.Also kreuzen Sie an:
1.) Einsicht.
Hat sie klug gehandelt?
2.) Tugend.
a) Hat sie gerecht gehandelt?
b) Hat sie tapfer/mutig gehandelt?
c) mäßig?
3.) Wohlwollen.
Diente ihr Handeln vor allem dem Nutzen und den Interessen den Bürgern und Bürgerinnen ihres Landes?
Bitte achten Sie auch auf Folgendes: Politiker aller Parteien sprechen 2015 nicht mehr von Bürgerinnen und Bürgern, die sie vertreten. Sie sprechen von “den Menschen”!
Sind wir, als Bürger unseres Landes, damit auf die Kategorie der Lebewesen oder gar der Sachen zurück gestuft?
Eine lebendige Demokratie sollte die Bürger als den “Souverän” deutlich mehr wertschätzten!
Einige Politiker begreifen sich als Volksbelehrer - Politiker sind Volksvertreter. Politiker stehen in einen dienenden Verhältnis zum Souverän!
In einigen antiken griechischen Demokratien kamen Politiker übrigens durch eine Auslosung in ihr Amt.
Entscheiden Sie!
Anmerkungen:
a) Zu deutschen Verantwortung, christllicher Ethik und dem Grundgesetz gegenüber Flüchtlingen.
(Der hoffentlich nächste Bundespräsident) Heinrich August Winkler hat dazu in seiner Rede anlässlich der Verleihung des Deutschen Buchpreises in Leipzig 2016 Bemerkenswertes benannt.
b) Letztens sagte ein befreundeter Theologe Folgendes: Als Gott Noah die Sintflut ankündigte, sagte er ausdrücklich: “ Nimm zwei von jeder Art!”
Fußnoten: 1. Aristoteles. Rhetorik. 1980:II,1.S.84. Vgl. Ulonska, U.: 1990. 2. Hellwig 1973:252 3. Quintilian 1972:III,8,13 4. Cicero 1976:II,333 5. Klingemann 1979:435ff6. Klingemann 1979:435 ff 6. Cicero 1976:II,206; vgl. auch Quintilian 1972:IV und 1975: XI,1,42 7. Cicero 1976:II,206; vgl. auch Quintilian 1972:IV und 1975: XI,1,42 Literatur: Aristoteles: Rhetorik. München 1980. Cicero, M.T.: Über den Redner. Stuttgart. 1976. Hellwig, A.: Untersuchungen zur Theorie der Rhetorik bei Platon und Aristoteles. Göttingen 1973. Klingemann, H. D.: Perspektiven der inhaltsanalytischen Erforschung des gesamtgesellschaftlichen Wertwandels. In: Kmieciak, P. Wertwandel und Wertstrukturen in der Bundesrepublik Deutschland. Göttingen. 1979. Quintilianus, M. F.: Ausbildung des Redners. Darmstadt 1972 f. Ulonska, Ulrich: Die Selbstdarstellung des Redners. Göttingen. 1983 Ulonska, Ulrich: Suggestion der Glaubwürdigkeit. Untersuchungen zu Hitlers rhetorischer Selbstdarstellung zwischen 1920 und 1933. Ammersbek. 1990. Ulonska, Ulrich: Rhetorik für Führungskräfte. Borsdorf 2011. Rosdorf 2012
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